Manche Pferde haben langes zottiges Fell, andere kurz geschorene Haare.
Pferd scheren – ja oder nein? In der Pferdegemeinschaft ist das Thema Winterfell und Schur ein großes Streitthema. Die einen lassen ihren Pferden den plüschigen Pelz, die anderen verpassen ihnen Ganzkörperschuren und decken sie sorgfältig ein. Aber warum überhaupt scheren?
Zwar bekommt jedes Pferd Winterfell, aber manche stärker als andere. Meine Reitbeteiligung zum Beispiel wird jeden Winter zum Plüschpferd. „Das ist doch süß“, dachte ich mir im September. Mitte Oktober fand ich den Pelz allerdings nicht mehr süß, denn Nottingham schwitzte beim Reiten furchtbar und anschließend musste er unters Solarium oder eine Abschwitzdecke tragen, bis er völlig trocken war, was ewig dauerte. Deshalb wurde er Anfang November geschoren, er bekam eine Teilschur und wir konnten wieder arbeiten mit ihm.
Allerdings ist es bei geschorenen Pferden sehr wichtig, aufzupassen dass sie sich nicht verkühlen. Eine Decke zum Aufwärmen und Abreiten ist für meinen Haflinger also genauso Pflicht wie eine dicke Winterdecke über Nacht. Ein weiterer Nachteil der Schur ist, dass die Schur selber sehr lange dauert. Bei Nottingham dauerte sie zwei Stunden und das waren sicherlich keine angenehmen zwei Stunden. Die unbekannten Geräusche und das lange Stillstehen gefallen keinem Pferd, aber besonders bei nervösen Pferden kann die Schur zur Tortur werden.
Außerdem schert man erst, wenn das Winterfell komplett ausgebildet ist. Das ist bei den Pferden unterschiedlich schnell der Fall, bei den meisten aber im Oktober. Bis dahin schwitzen die Vierbeiner natürlich trotzdem.
Andererseits hat eine Schur auch große Vorteile, wie bei meinem Nottingham. Die Pferde schwitzen viel weniger, was besonders bei Pferden, die auch im Winter im Training stehen, von großer Wichtigkeit ist. Während dem Training muss man nicht aufpassen, ja nicht zu viel mit dem Pferd zu arbeiten, und nachher auch die Abschwitzdecke nicht ewig auf dem Pferd lassen. Die vielen Varianten und Variationen von Schurmustern sprechen auch für sich. Grundsätzlich wird zwischen der Teilschur und der Komplettschur unterschieden.
Bei der Teilschur gibt es unterschiedliche Varianten. Beim Streifenschnitt wird ein breiter Streifen von der Unterseite des Halses über die Brust bis zur Hinterhand geschoren, genau dort, wo das Pferd am meisten schwitzt. Dann gibt es noch den Deckenschnitt, bei dem das Fell am Kopf und den Beinen stehen bleibt, genauso wie in Form einer sogenannten „Nierendecke“ am Rücken. Eine andere Form ist der Hunter- oder Standartschnitt, bei dem nur der Kopf, die Beine und die Sattellage ungeschoren bleiben. Bei einer Komplett- oder Vollschur wird das ganze Winterfell entfernt, nur ein Streifen entlang des Mähnenansatzes und ein Dreieck am Schweifansatz bleiben bestehen. So eine Vollschur ist normalerweise nur bei Pferde notwendig, die auch im Winter auf Turniere gehen und sehr viel arbeiten müssen.
Eine Alternative zum Scheren ist, das Pferd frühzeitig einzudecken. Fängt man im Herbst rechtzeitig an, sein Pferd über Nacht mit einer leichten und später mit einer dickeren Decke auszustatten, kann man die Bildung eines allzu dicken Winterfells verhindern. Das klappt auch eigentlich ganz gut, aber bei Pferden wie meinem Haflinger, die von Haus aus eine dicke Felldecke mit sich herum schleppen, bringt auch das Eindecken nichts mehr und der Winterpelz muss trotzdem weg. Bei Pferden, die allerdings ohnehin kein dickes Fell bekommen, kann so eine Schur vermieden werden.
Es gibt also eine Reihe von Möglichkeiten, sein Pferd durch den Winter zu bekommen:
1. (Ohne) Decke und ohne Schur. Besonders Pferde, die auch im Winter im Offenstall stehen und so den kalten Temperaturen ausgesetzt sind, sollten ihr Winterkleid anbehalten. Ob sie wenigstens über Nacht eine Decke bekommen ist abhängig von Besitzer und dem jeweiligen Pferd. Ich kenne auch Pferde, die so dickes Winterfell haben, dass sie bei Minusgraden ohne Decke draußen stehen, andere haben über Nacht doch eine Decke als Schutz.
2. Ohne Schur und mit Decke. Das ist zu empfehlen bei Freizeitpferden, die zwar geritten werden, aber nicht in richtigem Training stehen.
3. Mit Teilschur und Decke. Je nach Art der Schur ist es sinnvoll, die Pferde zusätzlich zur Winterdecke mit einer Abschwitzdecke auszustatten, die beim Abreiten und Aufwärmen wärmt.
4. Mit Komplettschur und Decke. Komplett geschorene Pferde sollten nie lange ohne Decke stehen, manchmal ist sogar beim Putzen eine Decke sinnvoll, damit die Pferde nicht auskühlen. Zwar frieren die Vierbeiner nicht so schnell wie wir Menschen, aber durch die Schur funktioniert der schützende Wärmemechanismus nicht mehr und schon bei geringem Zug kann es zu einer Unterkühlung kommen.
Die Reitergemeinschaft hat dazu unterschiedliche Meinungen und gerade im Herbst und im Frühling wird darüber heftig diskutiert. Meine Meinung dazu ist, dass eine Schur durchaus ihre Vorteile bei Pferden mit dickem Fell hat und das sehe ich jedes Mal, wenn ich Nottingham beobachte. Würde er allerdings im Offenstall und nicht in einer Box stehen, wäre eine Decke über dem Plüsch völlig ausreichend. Ob und wie man schert, hängt für mich von vielen Dingen ab: der Kälte des Winters, der Unterbringungsart des Pferdes, der Dichte des eigentlichen Winterfells und der Verwendung des Pferdes.
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