Keine anderes Pferd ist derart von Vorurteilen geprägt
Über fast keine andere Rasse gibt es so viele Vorurteile wie über den Haflinger. In der Pferdewelt bezeichnen viele Großpferdbesitzer sie abfällig als „dick“ und „mickrig“, oder „faul“ und „stur“. Schon oft musste ich die Liebe zu den „blonden“ Pferden rechtfertigen oder erklären und nicht selten kamen hitzige Diskussionen dabei heraus, in denen meine Lieblingsrasse als „Anfängerpferde“ betitelt und ich mit verächtlichem Lächeln bedacht wurde.
Was steckt aber wirklich hinter diesen Vorurteilen? Meist nur arrogante Pferdebesitzer mit fleißigen Turnierpferden, die im perfekt versammelten Trab an mir und meinem „dicken Hafi“ vorbeischweben, ohne dabei zu bemerken, dass auch der „Sturkopf“ so schön versammelt gehen kann.
Beim Springtraining konnte ich schon einige Reiter erleben, die nur die Nase gerümpft haben, wenn der Haflinger in die Halle kam. „Springen? Der kommt doch mit dem Bauch nicht über den Sprung“, wurde gesagt und heftig gelacht – jedenfalls so lange, bis besagter Haflinger elegant über Hindernisse bis L-Niveau hüpfte und dabei eine bessere Figur machte, als so manches Großpferd mit angeblicher Springkarriere. Auch in der Dressur stehen Haflinger den Großen in nichts nach, und bei Turnieren ist die blonde, lange Mähne sowieso ein Hingucker!
Faul? Stur? In Zusammenhang mit dem Ruf des Anfängerpferdes ist einem Haflinger die Faulheit wohl nicht zu verübeln, wenn der Reiter im Sattel keine Ahnung hat, was er tun muss. Viele Anfänger oder Freizeitreiter ohne das nötige Grundwissen kaufen sich einen Haflinger als Reitpferd, weil sie von Händlern und leider auch Züchtern als optimale Anfänger- und Verlasspferde verkauft werden. Wenn besagte Reiter ihre Tiere aber nicht unter Kontrolle haben, ihnen keine ordentlichen Manieren beibringen und sie gelegentlich von Profis korrigieren lassen – ja dann entstehen solche „Haflingermonster“, wie es sie oft gibt.
Dass Haflinger von Natur aus etwas breiter gebaut sind und manchmal etwas molliger sind, liegt vielleicht auch daran, dass ausschließlich jeder Haflinger, den ich kenne, seinen Kopf am liebsten in den Futtereimer steckt. Oft betiteln Haflingerliebhaber ihre Blondschöpfe als „verfressen“ und „äußerst klug“, wenn es darum geht, die Leckerlis in den Taschen der Besitzer zu suchen.
Meiner Meinung nach ist ein Pferd wie ein Mensch auch nur das, wozu es gemacht wird. Und da kann ein Haflinger genauso ein nervöses Temperamentbündel sein, wie ein Vollblut auch die Gelassenheit schlechthin. Sehr viel vom Charakter eines Pferdes macht die richtige oder falsche Erziehung und Ausbildung aus, eine Mischung aus Strenge und Vertrauen, Grenzen und die Möglichkeit zur freien Entfaltung. Ich kenne sowohl Haflinger, die im Schulbetrieb als absolute Verlasspferde laufen, als auch leistungsstarke Sporthaflinger mit traumhaften Gängen und freche Freizeithaflinger mit einer Vorliebe für Springen.
Ob man die goldenen Vierbeiner liebt oder nicht liebt, liegt jedem frei. Ich rate denjenigen aber, die jetzt vielleicht die Nase rümpfen und abschätzig auf die Haflinger hinabblicken, noch einmal zu überdenken, warum sie Haflinger nicht mögen. Es sind Pferde wie alle anderen auch, jedes individuell und mit seinem ganz eigenen Charakter – nur weil sie alle im Grunde dieselbe Fellfarbe haben, kann man den sturen, verzogenen Dicken nicht mit dem fleißigen Energiepaket vergleichen und jene, die trotzdem über jeden Haflinger lästern, sind entweder einfach nur arrogant und eingebildet oder haben keine Ahnung, wovon sie reden.
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